1. Filme zur Vermittlung von Medienkompetenz

Audio-visuelle Medien prägen unsere heutige Welt. Bereits im frühen Alter werden Kinder mit Filmen und Videos konfrontiert. Diese zeigen das Leben aus mannigfaltigen Perspektiven, können spannend, traurig und lustig sein. Sie können zur Bildung beitragen, aber dem Nachwuchs auch eine falsche Vorstellung des Lebens und der Gesellschaft darlegen. Deshalb ist es wichtig, den Kindern den Umgang mit Bewegtbildern beizubringen, sie für den Inhalt (Sprache, Bilder, Geschichte) und den Stil (Machart des Films/Videos) zu sensibilisieren und sie Medienkompetenz zu lehren. Medien kritisch wahrzunehmen hilft auf dem Weg zum mündigen Bürger.

Die Vermittlung von Medienkompetenz beginnt im Elternhaus und geht in der Kindergarten- und Schulzeit weiter. Die Kinder und Schüler sollen lernen Medien zu verstehen, sinnvoll mit ihnen umzugehen und ihren inhaltlichen Gehalt zu hinterfragen, um diesen zur Meinungsbildung zu verwenden.

Der Begriff Medienkompetenz wird unterschiedlich definiert. Prof. Dr. Dieter Baacke hat eine sehr verbreitete Definition des Begriffs aufgestellt.

Er unterteilt Medienkompetenz in vier Bereiche: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung.

Unter Medienkritik sieht Baacke

  • die Fähigkeit, analytisch vorzugehen, Medien zu unterscheiden, sich mit ihrem Inhalt auseinanderzusetzen und selbst festzulegen, welche in der eigenen Situation zweckdienlich sind;
  • die ethische Dimension: zu wählen, was hochwertig ist und gutgeheißen werden kann oder was abgelehnt werden sollte;
  • reflexiv zu sein, also sein Wissen immer wieder zu überdenken und auszubauen, denn die Medienwelt ist im ständigen Wandel.

Medienkunde bedeutet, informiert sein über Strukturen von Mediensystemen und Arbeitsabläufen, die Terminologien kennen und die Instrumente für die eigenen Zwecke bedienen zu können. (Hard- und Software zu installieren, ein Gerät in Betrieb nehmen zu können…)

Mediennutzung/Medienhandeln: Mit Medien umgehen zu können ist für Dieter Baacke das Wichtigste. Vor allem Kinder und Jugendliche sollen Radiosendungen selber machen, Videos produzieren, also Medien aktiv und produktiv nutzen.

Mediengestaltung ist die Dimension der Kreativität; hier geht es darum, mit den Medien zu arbeiten und Veränderungen herbeizuführen.

Quelle: Dieter Baacke über Medienkompetenz in Vimeo. Letzter Aufruf 25.09.2020 https://vimeo.com/242935944

Genau diese Medienkompetenz vermittelt das jfc Medienzentrum in seinen Seminaren, Workshops und Aktionen für Kinder, Jugendliche, Eltern, Erziehungsberechtigte und Pädagog*innen.

Ein Herzstück unter den zahlreichen Angeboten des jfc ist das Kinderfilmfest CINEPÄNZ. Es findet dieses Jahr zum 31. Mal statt und bietet ein vielseitiges Programm.

Nationale und internationale Filme in unterschiedlichen Techniken führen Kinder unterhaltsam in sensible Themen ein, wie z.B. Natur, Gefühle, Freundschaft, Zusammenhalt, das Leben in anderen Kulturen, Generationenkonflikte, Krankheit oder Vertreibung.

„CINEPÄNZ“ ermöglicht den jungen Zuschauern auch praktische Teilnahme. Eine Kinder-Jury und eine Redaktion setzen sich mit Filmen des Festivals auseinander, in Gesprächen mit Filmemacher*innen, Regisseur*ìnnen und Schauspieler*innen können die Kinder ihre Neugierde zu Hintergrundwissen stillen.

Filme sind weitaus mehr als nur bewegte Bilder. Filmbildung in den Unterricht zu integrieren bringt Abwechslung in den Schulalltag und ist eine Möglichkeit, Schülerinnen und Schülern zu helfen, die Tragweite der Geschichte, die Sprache, Bilder, Musik und Stilmittel der Filme zu erfassen und zu verstehen. Sie lernen, wie Filme betrachtet und bewertet werden.

Zudem bieten Filme Kindern auf unterhaltsame Weise Zugang zur bunten Welt verschiedener Kulturen, zu heiklen und wichtigen Themen und motivieren zum angeregtem Meinungsaustausch.

Filminhalte als Diskussionsansatz können in diversen Schulfächern Anwendung finden: im Deutschunterricht, in Religion, Ethik oder Philosophie, im Politikunterricht, aber auch in Geschichte, Musik und Sozialkunde. Manches Thema kann auch fächerübergreifend behandelt werden.

Zu vielen Filmen liegt bereits Unterrichtsmaterial von diversen Anbietern vor: siehe z.B. Kinofenster.de, Visionkino.de, filmundschule.nrw.de, kinomachtschule.at, lucas-filmfestival.de

Auch für Eltern bieten Filme eine Unterstützung bei der Erklärung bestimmter Themen und zudem sind sie eine geeignete Beschäftigung, wenn es Kindern langweilig ist.

Je nach Alter der Kinder und Jugendlichen gibt es verschiedene mögliche Vorgehensweisen; von der simplen Zusammenfassung des Inhaltes bis zum detaillierten Aufbau einzelner Einstellungen.

2 .Es folgen einige Anregungen zur Filmbesprechung

2.1 Vor der Filmvorführung:

Themeneinführung: Vor dem Kinobesuch werden die Kinder/Jugendlichen in das Thema eingeführt. Geben Sie ihnen eine kurze Erklärung zur Filmhandlung und erläutern Sie gegebenenfalls spezifisches Vokabular.

Filmplakat: Die Schülerinnen und Schüler können das Filmplakat analysieren. Sie beschreiben, was auf dem Plakat zu sehen ist und welche Aussage dahinter stehen könnte.

Erklärung der Grundbegriffe:

Unter Filmgattung wird beschrieben, welche Art Film es ist. Die gängigsten Filmgattungen sind der Kurzfilm, der Dokumentarfilm, der Spielfilm oder der Animationsfilm sowie der Werbefilm und der Videoclip.

Ein Dokumentarfilm versucht die Realität wiederzugeben, nichts zu inszenieren. Er kann beispielsweise wissenschaftlich oder in Interview-Form geführt werden.

Spielfilme erzählen eine fiktive Geschichte. Sie können jedoch auf historischen Ereignissen und realen Personen basieren.

Ebenso wie Animationsfilme. Diese kann man sich wie ein Daumenkino vorstellen. Animation ist der Überbegriff für verschiedene Filmtechniken.

  •  z.B. der Zeichentrickfilm. Hier werden einzelne Bilder gezeichnet oder am Computer generiert und zu bewegten Bildern animiert.
  • Oder der Stop-Motion Film. Er besteht aus einer Abfolge vieler einzelner Fotografien von z.B. Puppen oder Knetfiguren, wobei auf jedem Bild die Figur minimal verändert wird.

Filme werden auch nach Genres unterteilt. Hier stehen die inhaltlichen Merkmale und die Filmstruktur im Vordergrund, etwa Kinderfilm, Liebesfilm, Krimi, Drama, Komödie, Heimatfilm, Abenteuerfilm, Actionfilm, Science-Fiction, Fantasy, Horrorfilm, Western oder Märchen etc.

Einstellung: Im Englischen shot genannt, ist die kleinste Einheit eines Films. Sie wird definiert als der Bereich, der zwischen dem Ein- und Ausschalten der Kamera entsteht.

Szene: Sie ist eine Abfolge von Handlungen, die zeitlich zusammenhängen. Oft wird sie der Einstellung gleichgesetzt.

Sequenz: Mehrere Einstellungen hintereinander montiert bilden eine Sequenz.

Analysekriterien: Im Klassenverband werden Kriterien zur Filmanalyse erarbeitet, damit die Beurteilung des Films begründet werden kann.

2.2 Nach der Filmvorführung:

Filmwirkung:

Welchen Eindruck hat der Film hinterlassen.
Wie fanden die Kinder/Jugendlichen ihn?
Die Schülerinnen und Schüler sollen sich mit dem Film auseinandersetzen. Hat er sie zum Nachdenken gebracht? War die Geschichte passend für das Thema?
Je nach Genre: War der Film glaubwürdig?
Sinnvoll ist eine Diskussion über die einzelnen Sichtweisen der Kinder.

Es bietet sich eine kurze Zusammenfassung des Films an.

Thema: Worum geht es in dem Film?

Akteure: Wer sind die Hauptdarsteller und die Nebendarsteller? Wie werden sie dargestellt? Wie kann man sie beschreiben? Welche Eigenschaften haben sie? Sind diese Eigenschaften für die Handlung des Films wichtig? Haben sich die Personen im Verlauf des Films verändert?

Plakat: Die Kinder/Jugendlichen können sich das Plakat noch einmal anschauen und überlegen, ob sich ihre vorangegangenen Überlegungen bestätigt haben und es das Filmthema gut wiedergibt. Sie können ein eigenes Plakat gestalten.

Aufbau der Geschichte: Meistens wird ein Film wie ein Theaterstück aufgebaut – in 3 Akten.

1.Akt:

  • Die Hauptfigur wird in ihrer gewohnten Umgebung vorgestellt.
  • Ihre jetzige Situation wird dargestellt.
  • Es kommt zu einem Zwischenfall, zu einem Konflikt, einer Gegebenheit, die als Auslöser dient, dass die Erzählung eine andere, unerwartete Richtung einnimmt.
  • Erster Wendepunkt.

2.Akt:

  • Diese schwierige Lage stellt die Hauptfigur vor ein Problem, das gelöst werden muss.
  • Die Hauptperson muss einen Plan entwickeln, um das Problem zu lösen.
  • Sie setzt diesen Plan um, stößt dabei jedoch auf Hindernisse. Sie schafft es.
  • Zunächst ist scheinbar das Problem aus dem Weg zu räumen.
  • Es kommt jedoch, wie es kommen musste. Eine Katastrophe bricht ein.
  • Das Problem muss nun definitiv beseitigt werden, scheint aber eine unlösbare Aufgabe zu sein.
  • Zweiter Wendepunkt.

3.Akt:

  • Es scheint keine Hoffnung mehr zu geben, die Hauptperson erreicht ihren Tiefpunkt.
  • Die Hauptfigur sinniert über ihre Situation, ihr innerliches Problem kollidiert mit dem Äußerlichen. Gibt sie jetzt auf oder möchte sie kämpfen?
  • Die Hauptperson nimmt ihren Mut zusammen und stellt sich mit neuem Elan dem Problem. Es kommt zum Showdown. Dabei werden der äußere und der innere Konflikt gelöst.
  • Nun geht es zum Ende der Geschichte. Die Probleme und Konflikte müssen geklärt sein. Ob es zu einem Happy End, einer Katastrophe oder einem offenen Ende kommt, ist dabei der Filmemacher*in überlassen.

Hier bietet es sich an, den Film nach diesen Gesichtspunkten aufzuschlüsseln. Korrespondiert der Aufbau des Films einem üblichen Aufbau?

Szenen beschreiben: Wenn es möglich ist, Bilder einzelner Szenen zu zeigen, sollen die Schülerinnen und Schüler diese beschreiben und deren Wichtigkeit im Film erläutern.
Welches Ereignis im Film bringt einen Wendepunkt?

Szenen nachspielen: Mit eigenen Worten Situationen aus dem Film darstellen.

Filmverständnis: Es sollten Fragen zum Film gestellt werden, indem auf einzelne Einstellungen eingegangen wird. Gab es Metaphern im Film? Haben die Kinder/Jugendlichen sie verstanden?

Filmanalyse: Wurden Kriterien gemeinsam erarbeitet, kann die Filmanalyse entsprechend erfolgen.

Erklärung der Filmtechnik: Die Zuschauer*innen sehen immer nur das, was die Kamera ihnen bietet. Mit bestimmten Techniken können sie in ihrer Wahrnehmung beeinflusst werden. Kameraführung, Kameraperspektive und die Einstellungsgröße sind wichtige Gestaltungselemente, um mit den Bildern eine bestimmte Stimmung und Atmosphäre zu erzeugen.

Erzählperspektive: Sie beeinflusst die Wirkung, die die Geschichte auf die Zuschauer*innen erzielt. Je nachdem aus welcher Sicht die Geschichte erzählt wird, vermittelt sie unterschiedliche Informationen und transportiert andere Emotionen.

  • Die Geschichte wird aus der Sicht einer Person, der Hauptdarstellerin, dem Hauptdarsteller, erzählt.
  • Es gibt einen Wechsel der Erzählperspektive. In einer Parallelmontage werden die Perspektiven abwechselnd gezeigt.
  •  Gibt es einen Off-Sprecher, also einen Erzähler oder Kommentator, den man nicht sieht?
  • Werden Rückblenden verwendet? Wird gezeigt, was sich vor der jetzigen Zeit abgespielt hat?
  • Was bewirkt diese Erzählperspektive? Hätte es auch eine Alternative gegeben?
    Wäre sie effektiver gewesen oder nicht so eindrucksvoll?

Kameraführung: wie wird die Kamera bewegt?

  • Bei einer Kamerafahrt bewegt sich die Kamera mit den Personen, indem sie auf einem rollenden Stativ fixiert wird, welches sich wie ein Wagen oder auf Schienen bewegt. Die Kamera kann aber auch an einem Fahrzeug oder auf einem Kamerakran montiert sein.
  • Fälschlicherweise wird der Zoom oft zur Kamerafahrt gezählt, ist jedoch nur ein Wechsel der Brennweite. Welchen Effekt haben diese Kamerabewegungen? Häufige Wechsel können einen Film hektisch wirken lassen oder Spannung erzeugen. Wie war das im angeschauten Film?

Kameraperspektive: die Positionierung der Kamera, also der Blickwinkel aus dem gefilmt wird, kann einen Einfluss auf das Gezeigte haben.

  • Die Normalperspektive zeigt die Handlungsfiguren auf Augenhöhe. Es ist die natürliche Sicht auf Personen, wenn man mit ihnen spricht, sie anschaut.
  • Aus der Obersicht – Vogelperspektive, also aus einer erhöhten Lage, wirken die Handlungsfiguren oder Gegenstände klein, schwach und belanglos. Diese Perspektive kann auch verwendet werden, um einen Überblick über das Gesamtgeschehen zu geben.
  • In der Untersicht – Froschperspektive steht die Kamera niedriger als die Augenhöhe und lässt Personen oder Gegenstände größer, gewaltiger und gefährlich aussehen.

Einstellungsgrößen: Unter Einstellungsgröße verstehen Filmemacher den Inhalt eines Bildausschnitts. Das bedeutet: Welche Größe nimmt die gefilmte Person, der Gegenstand im Bild ein? Die Wahl der Einstellungsgröße hängt von der Wirkung ab, die sie erzeugen soll.

Eigentlich haben die Einstellungsgrößen fließende Übergänge, man unterscheidet jedoch grob 7 Größen.

  • Die Panoramaeinstellung, auch Supertotale (extreme long shot) hat einen weiten Winkel und zeigt die Landschaft. Personen sind kaum zu erkennen. Die Kamera ist sehr weit von den Personen positioniert. Diese Einstellung kann Freiheit oder Einsamkeit beschreiben.
  • Die Totale (long shot) dient der Orientierung, daher wird sie meist zu Beginn einer Sequenz gezeigt (establishing shot). Sie zeigt die Handlungspersonen in ihrem Umfeld. Man kann die Personen nicht gut erkennen.
  • Die Halbtotale (medium long shot) fokussiert den Blick sowohl auf die Person(en), die man von Kopf bis Fuß sehen kann, als auch auf die Umgebung. Diese Einstellung bietet sich an, um eine Personengruppe oder um Bewegungen zu zeigen.
  • In der Halbnahen (medium shot) wird die Person vom Kopf bis zur Hüfte gezeigt. Sie entspricht der natürlichen Sichtweise und eignet sich für Dialoge.
  • Die amerikanische Einstellung ist die Western-Variante der halbnahen Einstellung. Sie zeigt den Cowboy von Kopf bis zum Oberschenkel, um seine Hände und seinen Colt mit einzufangen.
  • Die Naheinstellung (medium close-up) erfasst den Kopf bis zum Oberkörper. Hier ist die Kamera in der Nähe der Handlungsperson(en). So wird die Mimik gut sichtbar. Deshalb bietet sich diese Einstellung für Dialoge an, bei denen es auf Blicke und Reaktionen ankommt.
  • Bei der Großaufnahme (close-up) steht die Kamera nahe bei der Handlungsperson, sodass der Kopf im Bild ist. Der Zuschauer kann die Mimik sehr gut sehen und fühlt sich der Person nah. Die Großaufnahme kann natürlich auch einzelne Körperteile oder Objekte erfassen.
  • Die Detailaufnahme (extreme close-up) zeigt nur noch einen Ausschnitt des Gesichts oder eines Gegenstandes. Eine Sicht auf ein Detail zieht die Aufmerksamkeit der Zusehenden auf sich, da sie nicht der normalen Sicht entspricht. Sie kann Spannung erzeugen oder abschreckend wirken.

Ein häufiger Wechsel zwischen den Einstellungsgrößen kann spannend wirken.
Während der Aufnahme sollte eine Veränderung der Größe nicht durch Zoom erzeugt werden, sondern durch eine Kamerafahrt.

Bildschärfe: Die Wahl der Kameralinse beeinflusst die Schärfe des Bildes.
Die Schärfentiefe kann auf den Vorder- oder Hintergrund fokussiert werden, je nachdem, worauf die Aufmerksamkeit der Zuschauenden gelenkt werden soll oder wenn unwichtige Elemente in der Unschärfe abtauchen sollen. Weitwinkelobjektive erwirken mehr Räumlichkeit und bieten mehr Schärfentiefe, als Teleobjektive.

Weitere Elemente, die dem Film eine bestimmte Wirkung verleihen können, sind das Licht, die Farbe, die Tonebene und der Schnitt/die Montage.

Licht: Die verwendete Menge an Licht für eine Einstellung erzeugt deren Stimmung. Viel Licht bewirkt eine Einstellung, die am Tag spielt. Sie kann Wärme, Fröhlichkeit oder Geborgenheit erzeugen. Wenig Licht simuliert eine Nachtszene, kann unheimlich, bedrohlich wirken, Unsicherheit auslösen. Auch die Lichtrichtung spielt eine wichtige Rolle. Kommt das Licht von oben, kann Tageslicht simuliert werden. Ein Seitenlicht verstärkt die Konturen und kann dramatisch wirken.

Farbe: Auch mit dem Farbenspiel im Film kann Stimmung erzeugt werden. Helle, lebendige Farben bewirken eine gute Stimmung, dunkle eine düstere, traurige oder bedrohliche Stimmung.

Tonebene: Hierzu gehören drei Kategorien.

  • Die Musik ist ebenso eine wichtige Komponente für die Vermittlung von Stimmung und Erzeugung von Atmosphäre, wie die Bildgestaltung, das Licht und die Farben. Die Musik kann heiter, düster, unheimlich sein und die dargestellte Einstellung untermalen oder verdeutlichen, aber den Zuschauer auch darauf vorbereiten, dass ein Ortswechsel folgt.
  • Die Geräusche, die atmosphärischen Töne (kurz Atmo) dienen ebenfalls der Verstärkung einer Situation, indem sie Emotionen, Erinnerungen oder Vorstellungen hervorrufen; z.B. die Geräusche eines einfahrenden Zuges, die Lautsprecherdurchsagen, das Rollen von Kofferwagen, Schritte und eine Kakophonie an Gesprächen intensivieren die Tatsache, dass man sich in einem Bahnhof befindet. Das Einsetzen von Geräuschen kann eine Einstellung beenden, einen Dialog unterbrechen oder bestimmte Ereignisse untermauern.
  • Die Sprache: am häufigsten wird die Sprache in Dialogen angewandt. Sie kann jedoch auch als Kommentar dienen, dann ist sie körperlos, kann also keiner Handlungsperson zugeordnet werden. Im Englischen wird sie „voice over“ genannt.

Sprache hat eine informative, emotionale und dramatische Funktion.

Montage/Schnitt: Wie die aufgenommenen Einstellungen aneinandergereiht und zusammengestellt werden, nennt man Montage. Diese hat einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Wirkung des Films. Die Montage verknüpft die Handlungen an unterschiedlichen Orten, zu verschiedenen Zeiten so zusammen, dass es zu einer Gesamtstimmigkeit kommt. Die Übergänge zwischen den Einstellungen können fließend verlaufen oder bewusst abgehackt.

Nachdem sich mit dem Film auseinandergesetzt wurde, kann man zur Filmkritik übergehen.

Filmkritik

Auch eine Filmkritik beginnt mit einer Einleitung. Hier werden allgemeine Informationen zum Film gegeben. Welches Thema behandelt er, wie lang ist er? Welche Auszeichnungen hat er bereits erhalten, was war beim Filmdreh auffällig (z.B. wie hoch beliefen sich die Kosten, wurden spezielle Techniken verwendet)?

Der Hauptteil:

In knappen Sätzen wird den Filminhalt beschreiben, ohne dabei zu viel zu verraten. Die Leser*innen sollen verstehen, worum es in dem Film geht, und neugierig werden.

Als Nächstes auf die Charaktere eingehen. Was zeichnet sie aus, welche Rolle spielen sie im Film, sind sie liebenswert und kann man sich mit ihnen identifizieren oder sind sie eher langweilig, fies und unsympathisch?

In einem weiteren Schritt kann man über die Schauspieler*innen sprechen, die die Charaktere verkörpern. Spielen sie die Rolle plausibel und gut? Oder sind sie eher ungeeignet dafür?

Man kann die Leistungen der Schauspieler*innen mit vorherigen Darbietungen vergleichen. Auch können andere Filme zur Gegenüberstellung genommen werden. Gibt es Parallelen zwischen diesem Film und einem anderen zum gleichen Thema oder aus dem gleichen Genre? Was macht diesen Film sehenswerter? Man beschreibt Stärken und Mängel des Films. Dazu kann man auf die eine oder andere Sequenz eingehen. Auch Aufmachung, Musik und der Schnitt können besprochen werden.

Hat der Film eine Botschaft, kann man dazu noch einige Worte schreiben.

Der Schlussteil:

Zum Schluss verfasst man ein Fazit, indem man die vorherigen Ausführungen aufnimmt. Hier kann auch erwähnt werden, ob der Film für das vorgesehene Publikum geeignet, allgemein empfehlenswert ist oder eher nicht.

www.filmmachen.de/film-grundlagen/bildgestaltung
https://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php
www.visionkino.de/Kompetenzorientiertes Konzept Filmbildung für die Schule 2015.pdf

2.3 Basteln:

Ein Daumenkino selbst herstellen.

– Mit Knete Figuren basteln oder Puppen nehmen.

– Sich überlegen, was sie machen sollen.

– Die Figur oder Puppe in die Ausgangsposition bringen.

– Mit dem Smartphone oder einem Fotoapparat ein Foto machen.

– Die Figur oder Puppe minimal in ihrer Bewegung verändern.

– Davon ein Foto aus der gleichen Position wie beim ersten Foto schießen.

– Die Knetfigur oder Puppe wieder minimal in ihrer Bewegung verändern.

– Wieder ein Foto schießen.

– Diese Prozedur so lang wiederholen, bis die Knetfigur oder Puppe die erdachte Aktion vollständig durchgeführt hat.

– Nun werden die Fotos ausgedruckt.

– Die Fotos sollten alle die gleiche Größe haben. Sie werden nun zusammengebunden. Das kann man machen, indem man die Blätter zusammentackert oder locht und mit einem Heftstreifen verbindet.

– Jetzt nimmt man das kleine Heft auf der Seite des Heftstreifens in die eine Hand und mit dem Daumen der anderen Hand blättert man das Heft schnell durch.

– Nun läuft der „Film“ ab.

3. „Der Brotverdiener“ als Medium zur interkulturellen Erziehung

3.1 Einleitung

Das Kinderfilmfest „Cinepänz“ zeigt neben dem regulären Filmprogramm seit einigen Jahren auch die entwicklungspolitische Filmreihe, welche durch die Engagement Global gGmbH mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert wird. Die unter dem Programm laufenden Filme beschäftigen sich mit politisch aktuellen Themen wie der Flüchtlingskrise und stellen diese in einem für Kinder und Jugendliche verständlichen Kontext dar. 2019 zählte auch „Der Brotverdiener“ zu dem Programm der entwicklungspolitischen Filmreihe. Der irische Animationsfilm ist 2017 unter der Regie von Nora Twomey entstanden und stellt auf eindrucksvolle Weise das Leben unter dem Regime der Taliban dar. So ist es verständlich, dass er 2018 unter der Kategorie „Bester Animationsfilm“ für den Oscar nominiert war.

Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit dieser Film sich im Kontext der Vermittlung von Interkulturalität an Kinder und Jugendliche eignet. Dafür wird zunächst ein Überblick über die aktuelle Situation in Deutschland gegeben und daraufhin die Bedeutung von interkultureller Erziehung herausgearbeitet. Anschließend wird die Rolle des Mediums Film in Bezug auf interkulturelle Erziehung dargestellt, woraufhin speziell auf „Der Brotverdiener“ eingegangen wird.

3.2 Es ist Zeit für eine Veränderung

Deutschland ist schon lange ein Land mit einer heterogenen Bevölkerung. Diese Diversität findet sich in Bereichen wie der Bildung, Religion, sozialen Schicht, der Herkunft oder auch der Kultur. In unserem Alltag gibt es immer wieder Berührungspunkte mit Menschen aus einem anderen kulturellen Umfeld als dem unseren. Doch nach Ende der Interaktion begeben wir uns oft zurück in unsere Blase an Menschen, die ähnlich ticken wie wir selbst. Obwohl Interkulturalität direkt um uns herum stattfindet, sei es der Nachbar, der Gastarbeitnehmer aus Polen oder die Apothekerin aus Äthiopien, leben wir aneinander vorbei und bleiben separiert voneinander. Doch wie schaffen wir es, eine Verbindung zueinander herzustellen? Die aktuelle Flüchtlingskrise und der damit wiederaufflammende Rechtsradikalismus ist Grund genug, sich solch eine Frage zu stellen. Damit Vorfälle wie der Mord an Walter Lübke oder das Attentat von Hanau nicht noch einmal passieren, ist es notwendig, unsere Gesellschaft für fremde Kulturen zu sensibilisieren und Verständnis füreinander zu schaffen. Das Stichwort lautet interkulturelle Erziehung, denn gerade in jungen Jahren ist es wichtig, Menschen fremde Kulturen näherzubringen, damit Berührungsängste gar nicht erst entstehen.

3.3 Interkulturelle Erziehung und Filmbildung

Heutzutage existieren in Deutschland unterschiedliche Ansätze, wie interkulturelle Pädagogik aussehen sollte. Auch wenn an dieser Stelle nicht auf die einzelnen Konzepte näher eingegangen werden soll, lassen sich dennoch vier unterschiedliche theoretische Herangehensweisen unterscheiden: „1. philosophisch argumentierende, 2. sozialkonstruktivistisch orientierte, 3. primär kulturtheoretische, 4. primär sprachwissenschaftlich begründete Ansätze“ (Auernheimer 2012, S. 47). Sie alle stimmen im „Abbau von Vorurteilen, Empathiefähigkeit, Überwindung des Eurozentrismus [sowie] Solidarität [überein]“ (ebd., S. 46). Des Weiteren wird ein offener, lebensnaher Unterricht mit einer auf Austausch basierenden Lehrer-Schüler-Beziehung gefordert. Mit anderen Worten geht es um die Anerkennung der Andersheit, sowie dem Bewusstmachen von ungleichen Verhältnissen. Die Gewichtung der Schwerpunkte ist abhängig von der theoretischen Perspektive der Autoren (vgl. ebd., S. 46 f.). Generell lassen sich folgende Leitmotive der interkulturellen Pädagogik formulieren: Die Wertschätzung kultureller, religiöser und sprachlicher Vielfalt, bei gleichzeitigem Eintreten für Chancengleichheit (vgl. Auernheimer 2012, S. 20). Dies führe dazu, dass ein interkulturelles Verstehen und letztlich ein interkultureller Dialog möglich werden, so Auernheimer (ebd.). Doch wie lassen sich diese Motive und Ziele in die Praxis übertragen? Wichtig für das Eintreten für Gleichheit ist zunächst das Wissen um Ungleichheit. Deswegen geht es gerade in der interkulturellen Erziehung bei Kindern und Jugendlichen darum, sie für das Bestehen von Ungleichheiten zu sensibilisieren (vgl. ebd., S. 21). Wie schon zuvor erwähnt, kann dies durch folgende Punkte erreicht werden:

      1. Förderung zum Perspektivenwechsel/Empathie,

      2. Abbau von Vorurteilen,

      3. Respektierung anderer Kulturen durch Überwindung des Eurozentrismus.

Ob und inwiefern sich das Medium Film dazu eignet, Kinder und Jugendliche bei Entwicklung dieser Kompetenzen zu unterstützen, soll im Folgenden erläutert werden.

Im Spannungsfeld von Migration und interkultureller Vermittlung kommt den Medien und besonders dem Medium Film eine zentrale Funktion zu. Die durchschnittliche Bevölkerung hat oft nur wenig direkten Kontakt zu Minderheiten oder Menschen mit Migrationshintergrund, deswegen gewinnen mediale Darstellungen „bei der Konstruktion von Vorstellungsbildern […] an Bedeutung“ (Holzwarth 2018, S. 301). Das damit einhergehende Problem ist, dass die Darstellung der ausländischen Bevölkerung oft einseitig und stereotypisiert ist, um den Rezipient*innen einen leichteren Zugang zu bieten (vgl. ebd.). Hoffmann (2006) teilt diese Ansicht, dennoch sieht sie gerade in Filmen das Potenzial für „Formen der Auseinandersetzung mit Kultur, Werten sowie mit Vorbildern und Idealen, Traditionen und Zukunftsperspektiven“ (S. 32). Dadurch würde die Möglichkeit zur Aufklärung über Konflikte der dargestellten Bevölkerung geschaffen, woraus Verständnis resultieren kann (vgl. ebd.). Welche Potenziale der Spielfilm in der pädagogischen Praxis bietet, hat Baacke in seinem Konzept „Der Spielfilm als Gegenstand pädagogischer Analyse“ (2014, erstmals veröffentlicht 1981) bereits herausgearbeitet. Seiner Meinung nach stellen Spielfilme ein ausgezeichnetes pädagogisches Arbeitsmittel dar, da sie relevante Themen wie Konflikte und Beziehungen abbilden. Im Gegensatz zu theoretischen, abstrakten Lehrbuchtexten sind die Themen in die Lebenswelt der Figuren eingebettet und bieten einen authentischen, narrativen Zugang zu komplexen Thematiken (vgl. Vollbrecht 2014, S.26). Infolgedessen lautet die dem Konzept zugrundeliegende These: „Spielfilme können ein Stück sinnlicher Ganzheits-Erfahrung in den pädagogischen Lernprozess hereinholen, und dies durch Distanzierung“ (Baacke 2014, S. 37). Damit ist gemeint, dass die Lernenden die Situation, welche im Film dargestellt wird, emotional nachempfinden können, sie aber dennoch Zuschauer sind und sich in einer Beobachterrolle befinden (vgl. ebd.). Darauf aufbauend soll „Der Brotverdiener“, unter Berücksichtigung der Leitmotive interkultureller Pädagogik, unter folgenden Gesichtspunkten analysiert werden:

      1. Inwiefern fördert „Der Brotverdiener“ das Empathievermögen?

      2. Inwiefern trägt „Der Brotverdiener“ zum Abbau von Vorurteilen bei?

      3. Inwiefern wird durch „Der Brotverdiener“ die Überwindung einer eurozentristischen Sichtweise unterstützt?

3.4. Analyse von der Brotverdiener

Der Film spielt im afghanischen Kabul zu einer Zeit, in der die Taliban regierten, also gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Es geht um die Geschichte der jungen Parvana, welche zusammen mit ihrer Familie die Hürden des Alltags in einer solchen Zeit bewältigt. Als Parvanas Vater unter fadenscheinigen Gründen von den Taliban verhaftet wird, ist es an Parvana, für die Familie zu sorgen. Sie verkleidet sich als Junge und muss lernen, sich in einer patriarchalen Welt zu behaupten. Von nun an ist sie verantwortlich, Geld für die Familie zu verdienen, um sie zu versorgen – sie wird zum „Brotverdiener“. Zugleich möchte Parvana ihren Vater aus dem Gefängnis befreien. Eine abenteuerliche Reise mit vielen Gefahren wartet auf sie.

1. Inwiefern fördert „Der Brotverdiener“ das Empathievermögen?

„Der Brotverdiener“ ist ein Film, welcher aus der Ich-Perspektive erzählt wird. Die elfjährige Parvana ist ein junges, mutiges Mädchen, welches viele Herausforderungen auf sich nimmt, um ihren geliebten Vater aus dem Gefängnis zu befreien. Die Figur der Parvana ist sehr sanftmütig und trotzdem kämpferisch, wenn es um die Befreiung ihres Vaters geht. Sie erweist sich als hilfsbereit, beispielsweise als sie ohne Bezahlung einem Mann einen Brief vorliest (Min. 35-38) und ist liebevoll gegenüber ihrem kleinen Bruder, dem sie häufig Geschichten erzählt. Die warmherzige Darstellung von Parvana weckt Sympathie bei den Zuschauenden. Durch das gewählte Alter können besonders Kinder und Jugendliche sich mit ihr identifizieren und Nähe zu ihr herstellen. Der Film beinhaltet einige Szenen, die durchaus schwer zu ertragen sind. Angefangen mit der Verhaftung des Vaters durch die Taliban (Min. 10) widerfahren der Familie immer wieder Schicksalsschläge. So wird Parvanas Mutter auf offener Straße von Mitgliedern der Taliban verprügelt, weil sie ohne männliche Begleitung unterwegs ist (Min. 14). Danach wirkt sie gebrochen und lässt sich ohne Widerworte von Parvana nach Hause geleiten, die die verantwortungsvolle Rolle einer Erwachsenen übernimmt, welche nicht ihrem Alter entspricht. Darstellungen wie diese wecken Betroffenheit beim Zuschauer, da das Leiden der Familie visuell gut vermittelt wird. Ein weiterer erwähnenswerter Moment ist die Szene, wo Parvana sich die ihre Haare abschneidet, welche die Transformation zum Jungen symbolisiert (Min. 23-25). Durch die detaillierte Darstellung und die Länge der Szene, wird ihr Bedeutung zugemessen. Dies weckt Respekt und Mitleid gegenüber Parvana. Obwohl ihr Leben und das Familie, hart ist – die Familie hat wenig Geld für genug Essen (Min. 9), Wasser muss Parvana stets aus dem nahegelegenen Brunnen holen (Min. 16) – bleibt Parvana hoffnungsvoll.

2. Inwiefern trägt „Der Brotverdiener“ zum Abbau von Vorurteilen bei?

Seit dem Terroranschlag auf das World-Trade-Center 2001 hat sich das Bild der Deutschen über Muslime drastisch geändert. Plötzlich standen alle Angehörigen des muslimischen Glaubens unter dem Verdacht, ihre Kultur mit Gewalt in Deutschland verbreiten zu wollen. Diese Pauschalisierung führte dazu, dass die Handlung einer kleinen, radikalen Teilgruppe der Muslime auf alle anderen übertragen wurde. (vgl. Nieke 2008, S. 20). Es stellt sich nun die Frage, ob der Film zu einer Änderung dieser Sichtweise beitragen kann.

Da die Taliban in der gezeigten Zeitspanne das Land regieren, herrschen streng religiöse Regeln: Frauenrechte existieren nicht, sie dürfen nicht ohne männliche Begleitung aus dem Haus (Min. 13-15) und erst recht nichts kaufen (Min. 21). Außerdem ist es üblich, dass sie ohne ihre Zustimmung verheiratet werden, wie es bei Parvanas Schwester der Fall ist (Min. 39). Des Weiteren ist es der Mutter verboten zu arbeiten, seitdem die Taliban regieren. Im Gegensatz dazu kann sich Parvana als Junge frei in Kabul bewegen. Ihr ist es möglich Geschäfte abzuschließen (Min. 35), sie findet Arbeit (Min. 57) und wird auf der Straße respektiert. Das Gefängnis, wo der Vater gefangen gehalten wird, steht sinnbildlich für die Grausamkeiten des Regimes (Min. 77-80). Bezogen auf die Taliban und mit welcher Brutalität sie dazu bereit sind, ihren Glauben zu verbreiten, werden in dem Film alle Vorstellungen bestätigt. Es wird jedoch auch differenziert, denn die Zivilbevölkerung leidet sichtbar unter der grausamen Herrschaft. Viele haben aufgrund der kriegsähnlichen Verhältnisse selbst Angehörige verloren und sind Opfer einer Regierung, die sie nicht gewählt haben. Als Beispiel lässt sich der Mann von Parvana einen Brief vorlesen, dass eine geliebte Person seinerseits gestorben ist (Min. 35-37) oder Parvanas Familie selbst nennen, dessen Sohn Süleyman als Kind von einer Bombe getötet wurde (Min. 81). Weiterhin wird in dem Film deutlich gemacht, dass nicht alle Menschen die Ansichten der Taliban teilen. So zeigen sich der Mann mit dem Brief und der Gefängniswächter als sehr hilfsbereit, als es darum geht, Parvanas Vater aus dem Gefängnis zu befreien (Min. 56; Min. 74). Sie helfen Parvana, die Taliban auszutricksen und beweisen mit dieser Tat Menschlichkeit. Als letztes sei Parvanas Familie zu nennen, die als sehr friedlich und gutmütig dargestellt wird. Mit den beiden, sich streitenden Schwestern (Min. 81) wird eine typische Familiensituation dargestellt, wie sie auch in westlichen Ländern vorkommt. Dies erzeugt Nähe zwischen den Figuren und Zuschauenden, da diese sich so besser in sie hineinversetzen können.

3. Inwiefern wird durch „Der Brotverdiener“ die Überwindung einer eurozentristischen Sichtweise unterstützt?

In „Der Brotverdiener“ wird der Alltag einer afghanischen Familie während des Taliban Regimes dargestellt. Wie schon in den vorigen Abschnitten belegt, wird gezeigt, dass das Leben zu dieser Zeit nicht einfach war. Für Parvanas Familie gab es kein fließend Wasser, sie hatten wenig Essen, ihr Haus bestand nur aus zwei Räumen. Wenn Frauen keinen Vater, Sohn, Bruder oder Ehemann hatten, war es ihnen nicht erlaubt das Haus zu verlassen. Ihnen wurden Menschenrechte abgesprochen, da sie keine eigenen Entscheidungen ohne die Zustimmung des männlichen Vertreters treffen durften. Dadurch wird dem Publikum eine Vorstellung vermittelt, wie das Leben damals für die Menschen in Afghanistan gewesen sein muss. Die Freundschaft von Parvana zu Shauzia (Min. 67-70) ist einer der wenigen Momente im Film, der ein Gegenpol zu dem harten Leben darstellt und zeigt, dass auch in einem Land mit kriegsähnlichen Verhältnissen Normalität und Menschenliebe zu finden ist. Die Erzählung der Landesgeschichte zu Beginn des Filmes hilft den Zuschauenden, die Geschichte in einen historischen Kontext zu setzen und zeigt die geschichtsträchtige Vergangenheit des Landes. Dies verschafft Aufklärung bei jenem Publikum, das wenig Wissen über Afghanistan besitzt. Zu Ende des Films erwähnt der Vater, dass sie in einem Land leben, wo die Imperien ihren Krieg austragen (Min. 85). Damit wird ein letztes Mal deutlich gemacht, dass die Menschen in Afghanistan Opfer eines Machtkampfes sind, der nicht der ihre ist.

3.5. Schlussfolgerung

Bezogen darauf, ob „Der Brotverdiener“ sich zur Vermittlung von Interkulturalität an Kinder und Jugendliche eignet, lässt sich Folgendes festhalten: Empathievermögen wird durch die gewählte Erzählweise und die sympathische Protagonistin geweckt, die es dem Publikum leicht macht, sich mit ihr zu identifizieren. Die Schicksalsschläge, die Parvanas Familie aufgrund der Taliban widerfahren, lösen ernsthafte Betroffenheit aus und führen dazu, dass man für Parvana Partei ergreift und die Taliban als Feind sieht. Diese werden im ganzen Film äußerst negativ dargestellt und es wird deutlich, unter welchen Einschränkungen das Leben für die Zivilbevölkerung stattgefunden hat. Die Darstellung ihrer Lebensweise hilft dem Publikum zu verstehen, dass keineswegs alle Menschen die Taten der Taliban befürworten. Gegensätzlich der schnell stattfindenden Stereotypisierung wird gezeigt, dass viele unter der Herrschaft leiden. In einer visuell ansprechenden Weise zeigt „Der Brotverdiener“ das Land Afghanistan, das Stadtbild Kabuls und die vom Krieg gezeichneten Menschen. Dadurch wird den Zuschauenden ein Eindruck vermittelt, wie das Leben unter den damaligen Bedingungen in Afghanistan ablief. An dieser Stelle lässt sich eine deutliche Empfehlung des Films für die interkulturelle Bildung aussprechen. Zwar sind einige Szenen für Kinder und Jugendliche nicht einfach zu verarbeiten, doch durch das gewählte Medium des Animationsfilms fällt es leichter, diese distanziert zu betrachten, als wenn er mit echten Schauspielern gedreht worden wäre. Dennoch ist es wichtig, vor dem Film die Thematik zu besprechen, um die Kinder und Jugendlichen auf die folgenden Bilder vorzubereiten. Außerdem sollte der Film in einen historischen Kontext gesetzt werden, da er Afghanistan vor einigen Jahren zeigt und die damalige Situation nicht der heutigen entspricht. Gerade aufgrund der hohen Emotionalität sollte nach Sichtung des Films genug Raum gegeben sein, um den Zuschauenden die Möglichkeit zu geben, ihre Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten. Abschließend lässt sich sagen, dass „Der Brotverdiener“ sich gut eignet, um in die Thematik rund um die Taliban in Afghanistan, einzuführen und darauf aufbauend zu arbeiten.

3.6. Literaturverzeichnis

Auernheimer, G.: Einführung in die interkulturelle Pädagogik. 7. Auflage, Darmstadt 2012.

Baacke, D.: Der Spielfilm als Gegenstand pädagogischer Analyse. In: Zeitschrift für Medienpädagogik, Heft 3 (2014), S. 35-74.

Hoffmann, D.: Identitätsverlust und Identitätsgewinn über mediale Welten verschiedener Kulturen. In: Medienbildung in der Migrationsgesellschaft. Bielefeld 2006, S. 26-36.

Holzwarth, P.: Medienpädagogik, Filmbildung und Migration. In: Migration und Soziale Arbeit, Heft 4 (2018), S. 301-308.

Twomey, N.: Der Brotverdiener. Cartoon Saloon. Kanada, Irland und Luxemburg 2017.

Vollbrecht, R.: Konzepte der Filmbildung und der pädagogische Widerwille gegen den Seh-Sinn. In: Zeitschrift für Medienpädagogik, Heft 3 (2014), S. 11-32.